Mehr als 10.000 gegen Ausgrenzung, Hass und Hetze - eine nicht gehaltene Rede von Bernhard Sander

KV Wuppertal

Mehr als 10.000 Menschen sind am Samstag dem Aufruf des Bündnisses „Wuppertal stellt sich quer“ gefolgt und haben gegen die Deportationspläne von rechtsextremer AfD, Werteunion und Identitärer Bewegung demonstriert. Die Linke ist dankbar, dass so viele gekommen sind.

Dies ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft, ein Begriff, den der Italiener Antonio Gramsci geprägt hat. Da sich die Organisatoren des "Runden Tisches  gegen Extremismus" nicht dazu entschließen konnten, gemeinsam mit "Wuppertal stellt sich quer" für die Demo am Samstag zu mobilisieren, blieben Sie am Vorabend lieber mehr oder weniger unter sich. Allen voran die CDU störte sich daran, dass nur gegen Rechts demonstriert wurde - das war ihr zu einseitig ...

 

Der 20. Januar 2024  - Eine nicht gehaltene Rede von Bernhard Sander

Dieser Tag macht der Stadt und ihren Einwohnerin*nen alle Ehre. Diese Kundgebung gegen die AFD und ihre Deportationspläne ist zu einer Sache der ganzen Stadt geworden und nicht der politischen Klasse.

Diese Kundgebung steht damit in der Tradition des demokratischen Elberfelder Aufstand von 1849, vor 175 Jahren. Wir verteidigen die Demokratie gegen jene, die sich scheinbar auf ihre Grundsätze berufen, um ihre menschenverachtende Propaganda zu betreiben. Die sich auf die Demokratie berufen - aber nur solange, bis sie die Macht in Händen halten. Besitzen sie erst einmal die Macht, werden sie sich nicht wiederhergeben. Sie werden ihre Masterpläne umsetzen, politische Gegner ausbürgern und Menschen deportieren, die sie seit langem als Fremde stigmatisieren und drangsalieren.

Viele fragen sich: wie konnte es soweit kommen? Darauf hat schon in den dreißiger Jahren Antonio Gramsci geantwortet: „Die Krise besteht gerade in der Tatsache, daß das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann: in diesem Interregnum kommt es zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen.“ Als Gramsci das schrieb, saß er schon in einem faschistischen Gefängnis, aus dem er nur noch zum Sterben freigelassen wurde.

Mit diesen Krankheitserscheinungen sind wir heute wieder konfrontiert. Wir spüren, dass alte Zaubersprüche nicht mehr funktionieren. „Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht“ entlarvt sich heute als ein „Jeder ist des anderen Wolf“.

Die vormalige Arbeiterpartei baut soziale Rechte ab. Eine Partei aus der Friedensbewegung zieht mit fliegenden Fahnen in den Krieg. Die Linke tut was sie immer schon tat: Sie zankt und spaltet sich. Die Christenpartei redet davon, dass der Islam zu Deutschland gehört - aber fordert in ihrer Heidelberger Erklärung andererseits „eine Begrenzung der humanitären Migration“ und eine Grenzschutzpolizei, die „die Migration an den Grenzen aufhalten kann“.

Das (am Donnerstag vor der Wuppertaler Demo) verabschiedete „Rückführungsverbesserungsgesetz“ – welch ein monströses Wort – ist ein Schrittmacher für die AFD-Politik. Jeder Tabubruch der politischen Klasse stachelt die Menschenverächter zu noch radikaleren Vorschlägen an. Was in den Bundesparteien derzeit an Gesetzesinitiativen herumgereicht wird, befasst sich nicht mit den Sorgen der Menschen sondern erweitert den Spielraum für die AFD, NPD, Werteunion.

Aber selbst in der Mitte der Gesellschaft wird dies endlich kritisch betrachtet. So schrieb Patrick Bahners in der FAZ: „ In der Sache gehen die Punkte in Sellners Konzept (auf der heimlichen Potsdamer Remigrations-Konferenz) nur ein oder zwei Schritte über die migrationspolitischen Planspiele der Ampelkoalition und der Unionsparteien hinaus“. Hier wäre Selbstbefragung und Selbstkritik angesagt, Herr Dr. Slawig. Hier auf dem Platz haben Sie die Antwort auf Ihren Spaltungsversuch.

Jede und jeder hat das Recht, hier in Sicherheit zu leben. Dazu braucht es genügend Kita-Plätze, genügen bezahlbare Wohnungen, gute Luft und vieles mehr. All das wäre ein großes Investitionsprogramm – mit vielen Tausenden von Arbeitsplätzen. Es geht um nicht weniger, als darum, in der Transformation eine neue Welt zugewinnen. Das wäre eine wirkliche Alternative zu den Remigrations-Fantasien und Deportationsvorbereitungen der braun-blauen Afder-Partei.

Die Demokratie muss täglich neu erkämpft werden in den nächsten Jahren, gegen die braun-blauen Fake-Demokraten. Und deswegen können wir stolz sein, dass soviele zu dieser Kundgebung gekommen sind. Es wird noch häufiger nötig sein. Danke an alle, die hierher gekommen sind.